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frauenORT Recha Freier

Recha Freier am Schreibtisch
Recha Freier am Schreibtisch

Der 23. frauenORT in Niedersachsen ist Recha Freier gewidmet. Am 2. April 2014 wurde die Stadt Norden offiziell zum frauenORT ernannt.

Die Jüdin Recha Freier gründete 1933 die Jugend-Alijah, die die Einwanderung von Kindern und Jugendlichen nach Palästina organisierte. Sie hat, was die Bedrohung durch den Nationalsozialismus anging schon sehr früh eine realistische Einschätzung getroffen. Sie spielte eine entscheidende Rolle bei der Rettung tausender jüdischer Kinder und Jugendlicher aus Nazi-Deutschland. Recha Freier hat ein ausgesprochen hohes Maß an Zivilcourage bewiesen und sich gegen alle Widerstände für ihr Ziel, die Rettung von 10000 jüdischen Jugendlichen, eingesetzt. Ihre Zivilcourage kann sowohl für Frauen als auch für Männer die Ermutigung sein, sich auch heute für andere Menschen einzusetzen.

Nähere Informationen zum Leben und Wirken Recha Freiers können Sie der Broschüre „Recha Freier - Leben und Wirken“ sowie dem Faltblatt „Recha Freier - Gründerin der Jugend-Alijah“ entnehmen.

frauenORTE ist eine Initiative des Landesfrauenrates Niedersachsen e. V., die das Leben und Wirken bedeutender historischer Frauenpersönlichkeiten lebendig werden lässt und einer breiten Öffentlichkeit bekannter macht.
Die Initiative möchte dazu beitragen, dass Frauengeschichte und Frauenkultur einen festen Platz im Spektrum kulturtouristischer Angebote erhalten. Seit 2008 wurden in ganz Niedersachsen frauenORTE eröffnet, u. a. auch in Ostfriesland. 

Der „Runde Tisch FrauenLeben in Ostfriesland-gestern-heute-morgen“ wurde im April 2014 gegründet.

Der Frauen des Runden Tisches FrauenLeben möchten die Vielfältigkeit des Lebens und Wirkens von Frauen auf der ostfriesischen Halbinsel sichtbar machen. Ziel des Runden Tisches ist es, das Thema FrauenLeben in der Region wissenschaftlich, kulturell, touristisch, populär aufzubereiten, darzustellen und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Jährlich gibt der Runde Tisch FrauenLeben in Ostfriesland einen „Lebendigen FrauenKalender“ heraus. Hier finden sich gebündelt spannende Veranstaltungen rund um besondere Frauen.

Wer war Recha Freier? Ihr Leben und Wirken

Recha Freier © The Association of Israelis of Central European Origin (NPO) - National Organization
Am 29. Oktober 1892 wurde Recha Freier in Norden geboren.

Etwa 10000 Jugendliche und Kinder entkamen dem Holocaust durch das Werk der in Norden geborenen Jüdin Recha Freier, der Jugend-Aliya. Auch einige Norder Jugendliche wurden so gerettet und erreichten das damalige Palästina, darunter auch der 2008 in Israel verstorbene Rudy Wolff. Recha Freiers frühzeitige und klarsichtige Einschätzung der politischen Entwicklung, ihre Vision von der Rettung der jungen Generation, ihr Mut und ihre Entschlossenheit gegen manche Widerstände halfen vielen zu überleben.

Recha Freier (geborene Schweitzer) wurde am 29. Oktober 1892 in Norden geboren. Ihr Vater Manasse Schweitzer war hier von 1891 bis 1897 Lehrer, Kantor und Vorbeter der jüdischen Gemeinde.

Als Vierjährige erlebte Recha bei einem Spaziergang über den Markt, wie ein Plakat an der Umzäunung des Blücherplatzes die Familie am Weitergehen hinderte. Diese erste Begegnung mit antisemitischer Diskriminierung sollte als Grundmuster ihr Leben beeinflussen.

Jahrzehnte später fasste sie das traumatische Erlebnis in ein berühmt gewordenes Gedicht:

Erdbeben

Der Stadtgarten
Das goldglänzende Gitter
geschlossen
ein großes weißes Pappschild
Ein Rahmen aus schwarzem Papier
Eintritt für Hunde
und Juden verboten!

In Schlesien wuchs Recha Schweitzer auf, als einzige Jüdin der Schulklasse immer wieder von Lehrern verspottet. Musikalisch und dichterisch begabt, studierte sie in Breslau und wurde Lehrerin und Pianistin,heiratete den Berliner Rabbiner Moritz Freier und wurde Mutter von vier Kindern. Von 1920 bis 1923 lebte die Familie in Sofia. Hier in Bulgarien gründete sie eine zionistische Organisation für junge Frauen, die u. a. in faschistischer Zeit 1941 bis 1944 illegale Einwanderung nach Palästina organisierte.

In Berlin, wohin ihr Mann als Oberrabbiner berufen wurde, sah Recha Freier bald die Not jüdischer Jugendlicher: Ächtung in Schulen, Lehrstellen, Arbeitsplätzen und fehlende Zukunftsaussichten als Folge antisemitischer Hetze. Sie begann schon 1932, Jugendliche nach Palästina zu bringen, wo sie Pflegeeltern und Betreuer in Kibbuzim fanden. Am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung, wurde offiziell die Jugend-Aliya gegründet. „Aliya – Aufstieg nach Jerusalem“ nennen Juden die Einwanderung ins damalige Palästina und heutige Israel.

Sie stieß in jüdischen Kreisen auf Widerstand, denn man wollte die Jugend in Deutschland halten und jüdisches Leben nicht aufgeben. Mit ihrem zionistischen Elan rettete Recha Freier bis 1941 vielen Tausenden junger Juden das Leben.

In Ausbildungslagern wurden die Jugendlichen in vielen Fällen auf ihr neues Leben im Kibbuz vorbereitet, lernten Hebräisch und Kenntnisse in der Landwirtschaft und wurden dann auf zum Teil schwierigen Wegen nach Palästina gebracht. Sie scheute sich nicht, auch illegale Wege und Lügen zu nutzen, um Kinder zu retten. Während der „Kristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938 hielt sich die Familie in London auf, kehrte aber zurück, um das Werk fortzusetzen. Zu unterschiedlichen Zeiten hat die Familie Freier Deutschland verlassen, um sich selbst zu retten, in letzter Minute auch Recha mit ihrer jüngsten Tochter Maayan.

Später widmete Recha Freier sich in Israel der Musik und Dichtung, begründete eine Vereinigung von Musikern und Schriftstellern und schuf Texte und Kompositionen zur jüdischen Geschichte.

Albert Einstein schlug sie 1954 für den Friedensnobelpreis vor. 1975 wurde ihr die Würde einer Ehrendoktorin der Hebräischen Universität in Jerusalem und 1981 der Israelpreis verliehen.

Sie starb in Jerusalem am 2. Februar 1984 im Alter von 91 Jahren.

Die Jugend-Aliya besteht bis heute. Sie holte nach dem Kriege junge Juden aus Nordafrika nach Israel, später aus der Sowjetunion und aus Äthiopien.

Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Ökumenischen Arbeitsgruppe Synagogenweg Norden

Text: Almut Holler, Ökumenische Arbeitsgruppe Synagogenweg Norden


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